Über den Ausgang von Prüfungen
Was Sarah Knappik im Dschungelcamp und Offiziersanwärterin Sarah S. auf der Gorch Fock verbindet
von Rudi Zimmerman
Die deutschen Medien berichteten über den bisher unaufgeklärten als Unfall deklarierten Tod einer Soldatin (Sarah S.) auf der Gorch Fock und die Konsequenzen, die der Verteidigungsminister bisher gezogen hat, während der Fernsehsender RTL täglich eine Lifeshow darüber sendet, wie eine junge Frau (Sarah Knappik) in einem "Dschungeldamp" gequält und möglicherweise in den Suicid getrieben wird.
Das Publikum - auf der Gorch Fock die sogenannten "Kameraden" - und im Dschungelcamp die Fernsehzuschauer - weidet sich an den seelischen Qualen der Opfer, die nicht als "Versager" gelten wollen und mit Hilfe ihres Ehrgeizes ihre letzten Energiereserven mobilisieren und Ängste überwinden, während andererseits ihre Seele, oder psychiatrisch gesagt, ihre Psyche, immer mehr leidet. Die Unterhaltung der Zuschauer steht an erster Stelle, denn diese zahlen dafür - wie schon vor 2000 Jahren die Römer für den Genuss, verängstige Christen dabei zu beobachten, wie sie von Löwen zerfleischt werden. Inzwischen ist die Welt angeblich humaner geworden. Die genetische Veranlagung, sich als "normal" und der Mehrheit, der "Masse" (le Bon), zugehörig fühlen zu wollen, hat sich jedoch seit der Entwicklung des Menschen aus dem Affen praktisch nicht verändert.
Ich erstatte seit über 20 Jahren forensische Gutachten. In den letzten Jahren geht es dabei vermehrt um die Folgen der sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung. Selbstverständlich nur bei den Opfern, die ihre Qualen überlebt und nicht erschöpft aufgegeben haben, ein rettendes Seil in der Takelage nicht mehr ergriffen haben oder nicht mehr ergreifen konnten. Wählt die Psyche des Opfers aktiv (bewusst) oder passiv (unbewusst) den Tod, sind selbstverständlich diejenigen, die es immer tiefer in den Konflikt zwischen Selbstbehauptung und Selbstaufgabe hineingetrieben haben, juristisch nicht verantwortlich für diesen Tod und waschen ihre Hände in Unschuld. Sie hatten keine Tötungsabsicht. Das Opfer handelte juristisch “freiwillig”.
Überlebt das Opfer diese seelische Stresssituation jedoch mit seelischen Verwundungen, so bleibt eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Wie ich der schreibenden Presse entnehme, wirkt auch der sogenannte “Oberguru” Rainer Langhans dabei mit, den Konflikt der Sarah Knappik immer weiter zu verschärfen, indem er sie "motiviert", weiter zu machen. Natürlich schicken die Zuschauer das Opfer in immer weitere "Prüfungen", verschonen die anderen Teilnehmer weitgehend vor dem von mir kurz erörterten Stress und verteilen diesen ungleichmäßig auf die Kandidaten. Dieses Verschieben der Verantwortung von den Machern auf die Allgemeinheit dient hier (im Dschungelcamp) der Abwehr (S. Freud) der Aggressivität der Programmmacher und des Publikums, dort (auf der Gorch Fock) der Leitenden Offiziere und der Kameraden, die ihre schwachen Persönlichkeitsanteile in den “Schatten” (C.G.Jung) verdrängen können.
Als Fachmann wage ich die Prognose, dass sich bei Sarah Knappik nach diesen "Prüfungen", falls sie sie überlebt und nicht einen Suizid begeht, eine PTBS einstellen wird.
Vom RTL würde ich gern wissen, von welchem/r MedizinerIn sich der Sender bei der Vorbereitung der Show und der Auswahl der Teilnehmer beraten lassen hat – oder hat er auf ärztlichen Beistand womöglich völlig verzichtet und verlässt sich auf seine juristische Unschuld?
Rudi Zimmerman Philosoph lebender Systeme am 23.01.2011 |