Das Man
Man macht dieses und jenes und dieses und jenes nicht. Jeder weiß, was man macht und was man unterlässt.
Dieses Man beherrscht den Menschen.
Weibliche Menschen wissen das oft besser als menschliche Männchen. Männchen verdrängen das gern und bilden sich das Gegenteil ein.
Erfüllt der Mensch nicht den Willen des Man, fühlt er sich unwohl oder hat Angst. Je nachdem. Er gehört nicht dazu. Er ist ausgeschlossen, wenn er nicht dem Man gehorcht. Er ist ein Aussätziger.
Von diesem Man rede ich hier. Von dem Herrscher über die Menschen.
Von meinem Unterdrücker.
Wenn ich ihn zu fassen kriege, erwürge ich ihn. Mit Freuden. Aber das Man ist nicht zu fassen. Es ist immateriell.
Schon viele Revolutionen wurden gefochten, viel Blut ist geflossen, um das Man zu beseitigen. Kaum waren die Herrscher besiegt, war das Man wieder da.
Denn auch die menschlichen Fürsten, Herrscher, Präsidenten und Bosse waren immer und sind dem Man unterworfen. Jedes Individuum ist Knecht dieses Mans. Und für jedes Individuum gibt es nur ein Man – und kein weiteres daneben. Und jeder Mitmensch weit und breit ist Knecht dieses Mans.
Gegen dieses alles beherrschende Man kämpfe ich. Gegen dieses unsichtbare und allmächtige Man. Und ich werde es besiegen. Ich missachte es, ich scheiße auf dieses Man!
Als ich geboren wurde, bin ich auch ohne dieses Man ausgekommen. Und war froh und glücklich. Dann kam es ganz klein und unscheinbar angekrochen und schmeichelte sich bei mir ein. Es machte mir Komplimente. Es schenkte mir Freude, das Man machte mich nun glücklich. Ich war stolz, das Man zum Freund zu haben. Und irgendwann wandelte es sich unmerklich vom Freund zum Herrscher. Ohne gefragt zu werden, war ich plötzlich abhängig vom Man. Nun fristete ich ein Leben als Knecht. Ich leckte dem Man die Füße. Ich wurde immer kleiner und das Man immer mächtiger.
Bis ich schließlich verschwand und im Man aufging.
Kürzlich geschah ein Wunder und ICH wurde geboren. ICH wunderte mich nun darüber, dass ich mich einem derart albernen Man unterworfen hatte. Einem Man, das gar keine Gewalt hatte. Einem völlig kraftlosen Man. Einem Popanz. Einem Nichts.
Seitdem ist das Man bedeutungslos und ICH bin alles.
Rudi Zimmerman, Gesellschaftsphilosoph im Web |