Geld steuert die Menschenwelt
1. Geburt und Säuglingszeit
Der Säugling kommt zur Welt, Sauerstoff kommt nicht mehr über die Nabelschnur ins Blut. Er atmet reflexhaft, gewzungenermaßen. Sein Körper handelt.
Das menschliche Individuum hat einerseits Bedürfnisse, die gestillt werden müssen.
Das beginnt mit dem „Stillen“. Der Säugling schreit, weil er Hunger hat. Ursache des Hungers ist der Blutzuckerabfall, der über Sensoren gemessen und ans Hirn gemeldet wird. Der Istwert der Glucosekonzentration hat sich vom Sollwert entfernt. Der Regelkreis muss durch eine negative Rückkopplung geschlossen werden. Die Mutter gibt ihm die Brust, oder ein Fläschchen. Der Saugreflex wird angeregt, Milch strömt in den Magen, Zucker und Eiweß wird im Darm resorbiert und kommt über das Blut in alle Zellen. Der Sollwert ist wieder hergestellt. Der Säugling ist ruhig.
Das menschliche Individuum hat andererseits Wünsche, die befriedigt werden müssen.
Das beginnt sofort nach der Geburt. der Säugling fühlt sich fremd und unwohl außerhalb seines Uterus. Er schreit. Die Mutter legt ihn an ihre Brust. Die zarte Haut, der weiche Druck, sie führen zur Ausschüttung von Glückshormonen. Ein Glücksgefühl. Wonne durchströmt den Körper. Wunderbar hier. Der Säugling schläft ein und träumt vom nächsten mal.
Zwei Lernprozesse sind in Gang gekommen. Zwei Verknüpfungen hat das Gedächtnis gespeichert: die Brust, der Blick der Mutter, erstens stillen sie den Hunger und den Durst, zweitens verschaffen sie Glücksgefühl.
2. Kindheit
Es sind Gewöhnungseffekte aufgetreten: Milch zur Sättigung und Brust zum Lustgewinn sind langweilig geworden. Es gibt geschmackvolleres, das den Hunger stillt. Es gibt interessanteres Spielzeug, das Freude macht, das meinen Forschergeist anregt. Die Liebe der Eltern zeigt sich nicht mehr nur in der Brust und im Knuddeln, sondern im Schenken. Ein Geschenk, das mir gehört. Es ist meins. Die Ausschüttung von Glückshormonen, das Glücksgefühl, ist an das Beschenktwerden gekoppelt worden. An die Stelle der Brust sind die Geschenke getreten. Ich muss etwas wert sein, wenn ich so viel geschenkt bekomme. Ich bin nicht nur ein Süsser oder eine Süsse. Das Süssgefundenwerden hat auch einen materiellen Ausdruck. Da gibt es noch mehr süsse Kleine auf der Welt. Konkurrenz ist aufgetreten. Aber mich finden sie am besten.
Der narzisstische Befriedigungshaushalt ist ausgeglichen. Ich bin einfach der Beste oder die Beste, weil ich bin.
3. Schule
Die Kindheit vorbei. Die Gesellschaft greift auf das Kind. Wer leistet mehr? Konkurrenz. Noten. Eingepfercht in Zwänge. Pünklich erscheinen. Stillsitzen. Bestraft werden. Schlecht sein. Kränkung. Demütigung. Angst. Enttäuschung.
Das Kind muss sich anpassen. Es muss sich seelisch auspeitschen lassen vom Lehrer. Der Lehrer bestimmt, was richtig ist. Was gut ist. Meine Wünsche zählen nicht. Das Kind lernt im Schulsystem etwas neues.
Ich bin nur etwas wert, wenn ich leiste. Was Leistung ist, bestimmt der Lehrer. Oder die Lehrerin. Sie schlägt mich mit schlechten Noten, wenn ich versage. Aber sie hat doch auch eine Brust? Belohnung nur für die Besten. Die 1 für Perfektion. Für allerbeste Anpassung. Nur wer die 1 bekommt, ist was wert. Die anderen Versager.
Ein neuer Lernprozess: Die Gesellschaft beurteilt mich nach meiner Leistung. Glücksgefühl nur als Beohnung für Selbstaufgabe.
4. Beruf
Endlich Geld. Die Entschädigung. Ich kann mir kaufen, was ich will.
Etwas wenig. Die Menge begrenzt. Ich muss mich einschränken. Wunschbefriedigung verschieben. Auch gut. Ein Heim. Ein Partner.
Selbststeuerung. Anpassung der Wünsche an die finanziellen Möglichkeiten.
Zufriedenheit.
Gehaltserhöhung ist Belohnung. Ausschüttung von Glückshormonen. Glücksgefühl. Für Anpassung, für Leistung. Egal. Weiter so. Anstrengung und Geldbelohnung. Narzisstische Befriedigung.
Aber auch Kündigung. Arbeitsplatzverlust. Kränkung. Bestrafung. Wofür? Einschränkung. Oder Kredit?
Geld tritt an die Stelle der Brust als universelles Wunschbefriedigungsmittel.
Die Wünsche wachsen ständig. Der Mensch will sich entfalten. Er sucht Anerkennung. Die Brust wurde schnell zu wenig. Die Welt ist groß. Ich muss auswählen. Was zuerst? Was hat Zeit? Was kann ich mir leisten?
Die Geldmenge ist begrenzt. Sie begrenzt meine Befriedigungsmöglichkeiten. Die Begrenzung der Geldmenge zwingt mich zur Steuerung.
Geld ist zwar ein universelles Tauschmittel und ich kann es gegen Befriedigung eintauschen. Aber seine Begrenzung zwingt mich zur Auswahl, zwingt mich zu Entscheidnugen, Zwingt mich, meine Wunschbefriedigung zu steuern.
5. Die Geldschöpfung
Ich kann nur Werte schaffen, indem ich arbeite. Das Individuum erfüllt Aufgaben für die Gesellschaft. Seine dafür eingesetzten Fähigkeiten und die dafür eingesetzte Zeit wird ihm in Geld entlohnt. Das ist Gegenleistung für Leistung. Eine Schaffung von Neuem.
Die Banken können Geld “schöpfen”.
Sie verleihen meine Spargroschen gleichzeitig mehrfach und geben mir ein Butterbrot für mein Erspartes. Kreditvergab ist in der Definition der Finanzwelt eine Geldschöpfung und die Rückzahlung des Kredits Geldvernichtung.
Für die Mehrfachverleihung an produzierende Firmen kassieren sie mehrfach den doppelten Zins. Die Buchgeldmenge der Banken wächst dadurch exponentiell.
Der Begriff “Schöpfung” ist jedoch hier völlig unangebracht.
Wenn der Begriff verwendet wird, sollte er für Schaffer von Werten vorbehalten bleiben. Das Individuum ist der Schöpfer von Ideen, Maschinen, Werkzeugen, Technik.
Der Erfinder hat die Idee. Die wird umgesetzt vom Ingenieur. Die Menschen schließen sich in Produktionsstätten zusammen. Durch Umsetzungen von Ideen wird die Produktion vereinfacht, beschleunigt. Die Materialien werden verbessert. Der Künstler verschönert die Produkte. Die Produkte erleichtern das Leben, sie verschönern das Leben.
Die Bank gibt das Geld für die Produktion und kassiert dafür “Zinsen”.
Diese verwenden sie für ihre Wetten: Calls, Puts usw..
Statt zu arbeiten zocken sie. So will es die Gesellschaft der Süchtigen. Die Gesellschaft der Spieler. Geld als Geschenk. Für nichts. Ohne Gegenleistung. Das ist der wahre Rausch. So lenkt es der Staat. Die Justiz deckt diese Spekulanten.
Der Rausch der Geldlenker als oberste Maxime.
6. Geld als Steuerungsmittel
Die Gesellschaft belohnt Anpassung, also die Tätigkeit für die Gemeinschaft, mit Geld. Geld ist Lohn für Mitarbeit in der Gesellschaft für die Gesellschaft. Wer länger arbeitet, bekommt mehr Lohn. Wer besser arbeitet, bekommt mehr Lohn.
Ideen sind nicht bezahlbar.
Der Erfinder ist Geber ohne zu nehmen, ohne zu bekommen.
Die bessere Bezahlung ist der Magnet, der die Arbeit anzieht.
Der Mensch bemüht sich für besseren Lohn. Er lernt für besseren Lohn.
Er geht dorthin, wo der Lohn besser ist. Die Glückshormonausschüttung ist dort größer. Geldzufluss löst Glückshormonausschüttung aus. Freude, Glück.
Das Geld ist die Brust geworden. Der Magnet. Zu dem ich will.
Das Geld steuert meine Bewegungen.
Die Bakterie orientiert sich am chemischen Konzentrationsgefälle. Der Mensch am Lohngefälle. Mehr Lohn in Aussicht, mehr Glück. Die Biochemie der Glückshormone lenkt meinen Weg.
Die Steuerung im Großen: der Staat gibt die Milliarden den Banken. Den Versagern, den Geldwegnehmern. Die Belohnung für Fehlentscheidungen.
Sozialhilfe für Spieler. Für Global-Player. Die ihre Wettgewinne in Steuerparadiesen in Sicherheit bringen. Eine Gesellschaft von Glücksspielern im Schutz der Justiz.
Rudi Zimmerman im Februar 2009
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