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Das Paket in Natur und Kunst ein Philosophy-Slam fürs Netz von Rudi Zimmerman
Das Paket ist einerseits die Umgrenzung eines Raums, andererseits sein Inhalt, der vom Rest der Welt abgetrennt wird. Dies ist unabhängig von seiner Form. Erst der Mensch baut eckige Pakete, die Pakete der Natur sind rundlich, weil die Kugel bei gegebener Oberflächengröße den größten Inhalt hat. So teilt das Paket das Universum in seine Innenwelt und die Außenwelt.
In diesem Sinn der Grenzziehung ist bereits in der Genesis am 2. Schöpfungstag die Rede vom Paket, wenn Gott eine Feste zwischen den Wassern schafft. Diese Feste zwischen den Wassern ist die Zellwand, die das Wasser der Umgebung der ersten Zelle im Urmeer von dem Zellwasser abtrennt. Die Schaffung der Zellwand ist somit die Voraussetzung der Bildung des ersten lebenden Systems, der Urzelle.
Das erste lebende Paket ist die biologische Zelle, die der Grundbaustein aller Lebewesen ist und auch der kleinste lebende Baustein des Menschen.
Ich gehe weiter in die Tiefe.
Auch das Atom, das kleinste nichtlebende System, aus dem sich alle Materie zusammensetzt, ist ein Paket, bestehend aus einer Hülle aus geladenen Teilchen, den "Elektronen", die einen mächtigen Raum umschließt, in dem sich ein verhältnismäßig sehr kleiner Kern aus massehaltigen Teilen, den Protonen und Neutronen, befindet. Wie sich jedoch inzwischen herausgestellt hat, besteht auch dieses System wiederum aus kleineren Untersystemen. Der auffälligste Bestandteil dieser ist nun ein Paket mit doppelter Eigenschaft. Wir sehen es, wenn wir unsere Augen öffnen, als Licht. Dieses Paket wird vom Atom nicht kontinuierlich abgestrahlt, wie es unseren Augen erscheint, sondern als Quant, also als Paket bestimmter Größe. Deshalb spricht man auch von der Physik der Pakete, kurz: der Quantenphysik. Einerseits hat dieses Paket die Eigenschaft eines kleinen Steinchens und hinterlässt Einschläge auf einer Platte, andererseits verhält sich dieses Paket wie eine Welle und wird an einem Gitter abgelenkt.
Derartige unvorstellbare Doppeleigenschaften haben nun die vom Menschen geschaffenen künstlichen Pakete nicht.
Der Mensch, das Individuum, besteht zunächst aus einem lebenden Körper, der sich aus Milliarden von Paketen der Größenordnung "Zelle" zusammensetzt. Diese sind von einer flexiblen Verpackung, der sogenannten "Haut", umschlossen. Diese hat einige wenige Öffnungen, um Material und Energieträger in das Paket hineintun zu können und dem System die Möglichkeit zu geben, Abfall nach außen abzustoßen. Das Verpackungsmaterial "Haut" ist nicht nur sehr biegsam und erlaubt daher vielfältige Bewegungen, sondern es hilft außerdem dabei, die Temperatur seines Inhalts zu regulieren. Während sich nämlich die Außentemperatur dieses "Pakets", des menschlichen Individuums, ständig ändert, muss seine Innentemperatur konstant so um die 37 Grad Celsius betragen, damit sein Inhalt nicht in den leblosen Zustand übergeht. Bevor dieses Paket Menschenform angenommen hat, gab es auch schon Varianten mit Flossen, mit Flügeln, mit 6 oder 8 und noch mehr Beinen, weil es sich um bewegliche und sich vermehrende Pakete handelt, die sich auf unterschiedliche Weise selbst Material und Energie beschaffen müssen, um dieses in ihre Klappe, die beim Menschen "Mund" genannt wird, zu stopfen. Nur beim Berliner spricht man immer noch von einer "Klappe", weil die bei diesem Menschentypus besonders groß sein soll und auch noch der Kommunikation dient. Die Herstellung dieser verschiedenen sich selbst vermehrenden Pakete wird "Evolution" genannt.
Um seine lebende Verpackung, die Haut, zu unterstützen und zu entlasten, hat der Mensch sich in einem längeren zivilisatorischen Prozess eine nichtlebende zusätzliche "künstliche" Haut gebastelt, seine Bekleidung. Diese kann nach Bedarf gewechselt und damit verschiedenen Zwecken angepasst werden. Sie hat damit nicht nur den Sinn, die Wärmeregulierung zu unterstützen, sondern kann beispielsweise auch zum Balzen – das sind Rituale, die der Anlockung von Sexualpartnern dienen – benutzt werden. Die Konstruktion von Verpackungen ist jedoch in Lauf der Jahrtausende weiter nach außen fortgesetzt worden. So hat der Mensch sich zunächst Häuser aus Holz, später aus Stein und Beton gebaut und sich damit eine Verpackung geschaffen, die zwar nicht mehr rundliche Form hat und flexibel ist, sondern starr und eckig konstruiert wurde. Sie erfüllt zwar weiterhin wie die natürliche Verpackung den Zweck, das Paketinnere vor Kälte zu schützen, aber aus statischen Gründen musste nun die eckige Form gewählt werden. Eckige Verpackungen, die sogenannten "Wohnungen" der Menschen, lassen sich im übrigen auch besser stapeln. Diese bessere Stapelbarkeit zu Hochhäusern ist auch der Grund dafür, dass die kleinsten Einheiten der Steinhäuser eckig sind. Dies sogenannten Ziegelsteine haben Quaderform.
So kann der wesentliche Unterschied zwischen den natürlichen evolutionär entstandenen Paketen unterschiedlicher Größenordnungen, wie Quant, Atom, Zelle und Individuum und der menschengeschaffenen zivilisatorischen Welt dadurch definiert werden, das erstere Pakete rundlich, wie auch die Erde, und letztere eckig sind und nunmehr der Begriff "Paket" mit der eckigen Form assoziiert ist.
Das betrifft auch die Verpackungen, die zur Lagerung und zum Versand von sogenannten Waren geschaffen wurden, wie Streichholzschachteln, Waschmittelpackungen, Postpakete oder die sogenannten Container.
Zur Erleichterung seiner eigenen Fortbewegung hat der Mensch jedoch zum Glück – wohl unter dem Einfluss von sogenannten "Künstlern" – Bewegungsboxen mit Rädern und Motor entwickelt, die von dieser eckigen Form abweichen und stromlinienförmig geworden sind, die sogenannten "Autos", in denen man sich bequem im Sitzen fortbewegen kann. Da nun die Beine nicht mehr so dringend benötigt werden, wird die Evolution wohl dafür sorgen, dass sich in einigen Jahrtausenden diese länglichen Organe, deren Energieversorgung erhebliche Probleme bereiten kann, entscheidend verkürzen, so dass sich der menschliche Körper wieder der Kugelform annähern wird – also der natürlichen Paketform.
Rudi Zimmerman, Webphilosoph |